Fabrikmuseum - Turbinenhaus

Turbinenhaus

Das 1902 von Heinrich Deetjen erbaute Turbinenhaus in dem Energie erzeugt und verteilt wurde, war das Herz der Fabrik. Seine Gestaltung mit Rundbogenfenstern zu beiden Seiten des Treppenaufgangs und achtblättriger Rosette oberhalb des Einganges gaben ihm den Namen: „Kathedrale der Arbeit". 

 

Beim Betreten des Turbinenhauses durch den Haupteingang blickt man zuerst auf eine große, schwarze Dampfturbine. Daran anschließend sieht man weitere Maschinen, Schaltpulte und Schalttafeln und an zwei Wänden ein Labyrinth von Rohrleitungen. All dieses füllt den großen Raum jedoch nicht aus. 

 

Ursprünglich stand in diesem Raum bis zum Jahr 1929 eine deutlich größere Dampfmaschine mit 2 Zylindern (siehe Bild links), die mit einer Leistung von etwa 2.500 PS über ein gemeinsames Schwungrad, Seilgang und Transmission die Produktionsmaschinen in der Fabrik antrieb. Ein Modell dazu ist im Museum ausgestellt. Zuvor wurde seit 1884 im „Lichthaus" (heute das Stadtmuseum) die nötige Energie von einer kleineren zwei Zylinder Dampfmaschine erzeugt, welche jedoch schon sehr bald nicht mehr den Energiebedarf decken konnte.

 

Bedingt durch die Elektrifizierung des Betriebes wurde die Dampfmaschine in der Turbinenhalle überflüssig. Ab 1914 bezog der Nordwollekonzern über eine Hochspannungsleitung Strom aus Bremen-Farge. Zur Produktion von Eigenstrom wurde 1935 der erste Turbogenerator (= Turbine mit Generator) in Betrieb genommen. 

Der ältere Turbogenerator III

Bei der Turbine handelt es sich um eine AEG Hochdruck/Niederdruck-Kondensationsturbine (Curtisturbine) mit Anzapfregulierung (Baujahr 1921). Sie stammt aus dem Zweigwerk des Nordwollekonzerns in Mühlhausen/Thüringen. Diese Turbine war bis zur Betriebsschließung im Jahr 1981 in Betrieb. 

 

Der Generator der AEG, Baujahr 1913, wurde 1935 von der Wärmetechnischen Gesellschaft in Hamburg gebraucht gekauft und in das Delmenhorster Werk gebracht. Damit begann die Eigenstromversorgung der Nordwolle. 

Der neuere Turbogenerator I

Bedingt durch den steigenden Energiebedarf wurde 1954 die zweite Turbine eigens für die Nordwolle von der AEG in Berlin gebaut und nach Delmenhorst gebracht. Sie ist zwar um ca. 40% kleiner, aber trotzdem leistungsfähiger als die große Turbine. 

 

Dort, wo sich heute ein Holzbretterboden zwischen dem zweiten Turbogenerator und dem Notstromaggregat befindet, sollte ursprünglich ein dritter Turbogenerator aufgestellt werden. Die Planungen dafür lagen vor, wurden jedoch nie realisiert. Vielmehr wurde ab den 1970er Jahren immer mehr Strom von den Energieversorgungsunternehmen Weser-Ems (EWE) bezogen. 

 

Dem Turbogenerator I wurde der Frischdampf mit einem Druck von ca 3,4 Megapascal (MPa) zugeführt. 2,3 MPa davon wurden verbraucht, um den Generator anzutreiben. Der Dampf mit den verbleibenden 1,2 MPa Druck wurde dem älteren Turbogenerator III zugeführt. 

Ein Blick in die geöffnete Turbine

Die Turbine des zweiten Turbogenerators ist geöffnet. Im Inneren sind drei Kammern zu entdecken, in denen sich Schaufelräder befinden, die alle auf einer gemeinsamen Welle fest angebracht sind. 

 

Während des Betriebes strömt sehr heißer Dampf mit hoher Geschwindigkeit auf die Schaufelräder und versetzt diese in eine schnelle Drehbewegung. Mit den Schaufelrädern dreht sich auch die Welle, bei Höchstleistung tut sie dies 6400 mal in der Minute. 

 

Hat der Dampf die erste Kammer (Hochdruckbereich) passiert, wird er in die zweite Kammer (Mitteldruckbereich) und danach in die dritte Kammer (Niederdruckbereich), geleitet. Auf diese Weise wird die Energie des Dampfes am Besten genutzt. 

 

Der Generator ist über ein Getriebe mit der Turbine gekoppelt. Das Getriebe setzt die Drehzahl der Turbine von 6400 U/Min auf 1500 U/Min herunter. Im Generator wird die Drehbewegung nach dem Prinzip des Dynamos in elektrische Energie umgewandelt. 

Das Notstromaggregat

Das Notstromaggregat, ein Dieselmotor mit Generator, wurde 1939 aufgestellt und diente mit seiner Leistung von 50 kW hauptsächlich dem Betrieb der Notbeleuchtung in den Produktionshallen. Bei Stromausfall wurde er eingesetzt, um die zum Anfahren der Turbogeneratoren erforderliche Energie bereitzustellen. 

Schaltwand und Schaltpult

Die beiden Turbinen waren nie in der Lage, den gesamten Strombedarf der Nordwolle Fabrik zu decken, mit ihnen konnte lediglich etwa 50% des Stromverbrauchs gedeckt werden, der Rest wurde vom Kraftwerk Farge in Bremen-Nord bezogen. Die Hochspannungsleitung mit 20.000 V kam in der HauptTrafostation Nord an. Die Spannung wurde auf 6.000 V umgewandelt und in eine Ringleitung auf dem Gelände der Nordwolle zu weiteren Trafostationen geführt. Hier erfolgte die Transformation auf eine Spannung von 380 V, welche für die Antriebsmotoren der Produktionsmaschinen benötigt wurden. Die Trafostation Süd befand sich im dreigeschossigen Anbau des Turbinenhauses. 

 

Die große Schaltwand vor dem Transformatorraum und das Schaltpult in der Mitte der Turbinenhalle dienten drei wesentlichen Aufgaben: Dem Anfahren der Turbinen, Überwachen dieser und genauen Regelungen von zum Beispiel der Drehzahl. Außerdem wurde der erzeugte Strom in Spannung, Frequenz und Phasenlage auf den angelieferten Fremdstrom synchronisiert, damit er in die 6.000 V Ringleitung eingespeist werden konnte. 

 

Durch die im Untergeschoss des Turbinenhauses gelegene Marmor-Schaltwand wurde der Strom in die einzelnen Abteilungen der Fabrik geschaltet. 

Dampfverteilung

Dampfmaschinen waren die Voraussetzung für das Entstehen von Großbetrieben. Der benötigte Dampf wurde auf dem Nordwollegelände in zwei Kesselhäusern gewonnen. 

 

Die Dampfverteiler, die man heute an der Nord- und Westwand des Turbinenhauses sieht, entsprechen dem bis zur Betriebsschließung 1981 genutzten Zustand. Das verwirrende Netz von Rohrleitungen besteht aus verschiedenen Dampfzu und ableitungen, drei Verteilern, Druckminderern und Sicherheitsventilen. Von hier wurde der Dampf den beiden Turbinen, der Dampfpumpe in der Wasserstation, den Heizungsanlagen sowie anderen Betriebsbereichen zugeleitet. 

 

Mit der 1970 erfolgten Umstellung auf gasbefeuerte Dampfkessel reichte der Dampfdruck zum Betreiben der leistungsstarken kleinen Turbine nicht mehr aus, folglich hatte auch der dazugehörende 4,1 MPa-Verteiler keine Funktion mehr, weshalb die Frischdampfzuleitungen entfernt wurden. 

 

Die Eigenstromversorgung kam somit fast gänzlich zum Erliegen. Mit der älteren, großen Turbine konnte jetzt nur noch das äußerst kostspielige Überschreiten von Lastspitzen beim Strombezug aus dem Verbundnetz verhindert werden. 


 

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